Doch wenn man den Oberösterreich-Chef des führenden Technologieunternehmens danach fragt, wie es ihm gelingen mag, sowohl am Weltmarkt als auch am Wirtschaftsstandort Oberösterreich einiges voranzutreiben, dann kommt man nicht darum herum, über den Menschen Josef Kinast zu sprechen. Denn im harten Wettbewerbskampf kommt es wohl vor allem auf die Führungsqualität an. Die hat sich der gebürtige Mostviertler schon in sehr jungen Jahren angeeignet. „Ich bin als Ältester von sieben Kindern am Bauernhof aufgewachsen. Und wenn man im August, während alle anderen Kinder im Schwimmbad sind, seine Geschwister zum Kartoffelklauben motivieren soll, dann lernt man alle Tricks der Motivation“, sagt er und lacht. Geprägt habe ihn aber auch die Zeit im Internat, wo man „Disziplin und Überleben lernt.“ Von den anfänglich 52 Schülern traten nur 16 zur Matura an. Josef Kinast war einer davon, danach studierte er JUS in Wien. Und wieder motivierte er nicht nur sich selbst, sondern ein ganzes Team. „Ich war hochschulpolitisch tätig und hab viel Verantwortung übernommen – man lernt, auch ohne Geld, einiges in Bewegung zu bringen“, erzählt der Siemens-Chef in Linz. Somit haben wir schon das erste Prinzip von Josef Kinast entdeckt: „Wer nicht gestaltet, wird gestaltet.“ Daran hielt er auch schon 1983 bei seinem Eintritt in die Siemens AG Österreich fest.
Vertrauen
„Ich hab die Wurzeln des Unternehmens kennengelernt, habe circa alle fünf Jahre den Job gewechselt ohne das Unternehmen zu wechseln. Das ist ja das Schöne an so einem großen Konzern: Man kann immer wieder neue Herausforderungen annehmen, ohne die Firma wechseln zu müssen“, sagt Kinast. Angst vorm Sprung ins kalte Wasser hatte er dabei nie – er sammelte Erfahrungen im Ausland und er stellte sich auch schwierigen Führungsaufgaben. Dabei setzte er schon früh auf innovative Ansätze in Richtung Flexibilisierung. „Ein Mitarbeiter im Einkauf wollte kündigen, weil er so eine lange Anreise nach Wien hatte. Das war aber ein wirklich guter Einkäufer“, erinnert sich Kinast. Also ermöglichte er ihm, einen Telearbeitsplatz einzurichten und an einigen Tagen von zuhause aus zu arbeiten. 1996 ein noch völlig unbekanntes Terrain. „Dieser Mann ist heute immer noch einer der besten Mitarbeiter.“ Immer wieder war und ist es ihm auch ein Anliegen, Frauen vor dem sogenannten Karriereknick zu bewahren und er ermutigt sie, rascher ins Berufsleben zurückzukehren. Möglich macht er das mit der im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem WIFI Oberösterreich eröffneten Krabbelstube für Siemens Kinder und auch mit Homeoffice-Arbeitsplätzen. Dabei gehe es vor allem um die Vertrauenskultur – womit wir beim nächsten Prinzip angekommen sind: „Man erkennt die Leistung der Leute an ihren Ergebnissen.“ Wie sie diese erreichen und wo sie arbeiten, sei egal – sofern es die Aufgabe zulässt. „Man muss vertrauen können. Ich kann nicht hinter jedem herlaufen und darum bin ich so allergisch gegen übertriebene Aufzeichnungen und Formalismus, denn diese sind nicht zwingend wertschöpfend“, sagt Kinast. Und was, wenn das Vertrauen von manchen ausgenutzt werde? „Das kann passieren, aber man kommt immer darauf. Und dann bin ich entschlossen und konsequent.“
Verantwortung
Schreien hört man dann den Verantwortlichen für 1.400 Mitarbeitern dennoch nicht, das sei nicht seine Art. Was nicht heißt, dass er still ist. Im Gegenteil – das Kommunizieren mit den Mitarbeitern zähle zu den wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft, so Kinast. „Medienberichte, die ja jederzeit online verfügbar sind, können bei den Mitarbeitern für Verunsicherung sorgen. Da ist es umso wichtiger, bei den Menschen vor Ort zu sein und sie aufzuklären.“ Denn viele würden sich vor Dingen fürchten, die sie gar nicht betreffen. Mitarbeiterveranstaltungen, die Klarheit schaffen sollen, stehen daher immer wieder auf der Tagesordnung bei Siemens in Linz. „Man muss die Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen und diese diskutieren. Man muss als Führungskraft aber auch Optimismus ausstrahlen, Lösungen aufzeigen und die Sorge vor Veränderungen nehmen können“, erklärt Kinast. Er selbst sieht Veränderungen nie als Bedrohung, sondern als Chance. Wer gute Produkte hat und ständig an deren Weiterentwicklung arbeitet, der kann diese Chance nutzen. „Es ist natürlich das Beste, wenn man sagen kann, dass die Auftragslage gut und die Auslastung gegeben ist“, so Kinast weiter. Dass es ein permanenter Kampf ist, am Standort wettbewerbsfähig zu bleiben, verheimlicht er aber ebenso nicht vor seinen Mitarbeitern. Denn sein Prinzip Nummer Drei lautet: Die Wahrheit ist zumutbar. „Ich nehme die Verantwortung für die 1400 Mitarbeiter sehr ernst und es ist einfach spannend, hier für den Standort Oberösterreich international zu kämpfen.“
Wie groß ihm dieses Anliegen ist, erkennt man auch an seinen zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen in Oberösterreich. Unter anderem ist Kinast Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung, Beiratssprecher von Clusterland OÖ und Aufsichtsrat-Mitglied der Business Upper Austria. „Nicht nur in Oberösterreich, in ganz Österreich müssen wir aufpassen, dass wir den internationalen Anschluss nicht verlieren. Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern durch Bürokratieabbau, Flexibilisierung der Arbeitszeitregelugen und Innovationen im Infrastrukturausbau“, erklärt Kinast. Die Chancen stünden seiner Meinung nach gut. Was er vor allem den leistungsbereiten Menschen und auch der guten Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen zuschreibt. „Die Leitbetriebe arbeiten bei Innovationen sehr eng mit den mittelständischen Unternehmen zusammen und treten gemeinsam am Weltmarkt auf.“ Damit sei man hierzulande gerade beim Thema Industrie 4.0 auf einem guten Weg und daher der Standort für die Zukunft gerüstet. Dass in mittelständischen Unternehmen die Angst vor Veränderungen und damit die Scheu vor Kooperationen groß sei, sieht Kinast als Vorurteil. „All diese Unternehmen stehen im intensiven Wettbewerb weltweit, da wird man zu seinem Glück auch gezwungen. Sonst hat man keine Chance, zu bestehen.“
Neugierde
Um bestehen zu können, braucht es auch hochqualifizierte Mitarbeiter. Der Kampf um diese wird immer größer. „Wir brauchen bei Siemens exzellente Menschen auf allen Ebenen der Ausbildung – eine Mischung aus Facharbeitern, HTL-Absolventen und auch Akademikern. Aber, das ist klar zu sagen, wir brauchen nicht nur Akademiker“, ist Kinast überzeugt. Facharbeiter zu finden, sei in Oberösterreich derzeit schwierig. Die Nachfrage ist groß, die demografische Entwicklung macht es noch schwieriger. Siemens investiert bereits sehr viel in Richtung Facharbeiter-Ausbildung und geht auch Kooperationen mit HTL-Absolventen ein, um sie mit Praxis-Plätzen ans Unternehmen zu binden. „Aber es ist eine ständige Herausforderung, die richtigen Personen am Markt zu finden.„Vielen fehle die Bereitschaft, internationale Erfahrungen zu sammeln. Gerade bei Siemens Oberösterreich gäbe es spannende Exportmärkte wie China, USA und Mexiko, wo man etwa als Projektleiter für bestimmte Zeit tätig sein kann. Er selbst habe die internationale Vernetzung von Siemens immer geschätzt: „Wenn man aus dem kleinen Mostviertel kommt und dann die große weite Welt kennen lernt, ist das ein großes Geschenk.“ Diese Neugierde wünscht er auch anderen jungen Menschen. „Man nimmt so viel mit aus dem Ausland und lernt erst dann, seine Heimat zu schätzen.“
Seit fünf Jahren schätzt Josef Kinast nun auch den Standort Oberösterreich – zumindest die Wochentage verbringt er hier, am Wochenende kehrt er zurück nach Wien, wo er gemeinsam mit seiner Frau wohnt. „Die Kommunikationswege zwischen den Unternehmensvertretern, der Politik und der Wissenschaft sind hier sehr kurz, das ist nicht selbstverständlich“, sagt er. Es mache ihm großen Spaß, für den Standort zu arbeiten, weil: „Siemens ist mit vielen seiner auch in Oberösterreich entwickelten und erzeugten Produkte und Lösungen am Weltmarkt vertreten – vor allem mit Automatisierungslösungen für die Automotive- und Luftfahrtindustrie sowie Transformatoren.“ Welche wirtschaftliche Bedeutung ein Weltkonzern wie Siemens für den Standort Oberösterreich hat, sei der Gesellschaft meist gar nicht bewusst. „Man weiß, dass Siemens ein internationales Unternehmen ist – dass es aber zusätzliche Wertschöpfung in Oberösterreich schafft, geht oft unter“, so Kinast. 427 Millionen Euro Umsatz, sei aber nur eine nackte Zahl. Hinzu komme noch die Wertschöpfung bei anderen Firmen: „Durch unser Einkaufsvolumen von rund 265 Millionen Euro bei insgesamt fast 1.800 oberösterreichischen Unternehmen sichern wir eine Vielzahl von Arbeitsplätzen.“ Auf die Frage, wie sicher der Standort in Linz sei, antwortet Kinast: „Siemens Oberösterreich gibt es seit mehr als 110 Jahren – ich bin natürlich kein Hellseher, aber es gibt keine Anzeichen, dass der Standort gefährdet sein könnte.“
Wertschätzung
Er werde sich jedenfalls zu 100 Prozent für Siemens in Oberösterreich einsetzen. Und das mit zwei weiteren Lebensprinzipien. Zum einen: Begib dich nie in Abhängigkeiten, egal von wem. Und zum anderen: Behandle deine Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und generell alle so, wie du selbst behandelt werden möchtest. „Dann geht alles sehr einfach – im beruflichen wie auch im privaten Leben“, sagt Josef Kinast mit Nachdruck. Doch dann runzelt er die Stirn, überlegt kurz und fügt schließlich schmunzelnd hinzu: „Wobei ich Sie gerade ganz und gar nicht so behandle wie ich behandelt werden möchte ... weil ich Ihnen viel zu viel erzähle. Wie wollen Sie denn daraus einen Artikel machen?“_
Gedanken.
Respekt habe ich vor _der Leistung von Menschen. Und nicht vor deren Titel.
Das Leben ist _viel zu kurz, um sich immer nur in ausgetretenen Pfaden zu bewegen. Deshalb soll man immer neugierig bleiben. Denn: Nichts ist spannender als die Zukunft.
Wütend macht mich _engstirniges, kleinkariertes Denken. Ich verstehe nicht, warum sich manche Menschen das Leben gegenseitig so schwer machen, egal ob in Politik oder Wirtschaft.
Am Ende bleiben _nicht die Zahlen, die man abgeliefert hat. Die sind vergessen, sobald das Geschäftsjahr vorbei ist. Was bleibt, sind die Häuser, die man gebaut hat und vor allem die Menschen, die man gefördert oder geprägt hat. Das ist meine Motivation.
Im Nachhinein hätte ich _vielleicht manchmal andere Prioritäten setzen können, als meine beiden Töchter noch Kinder waren. Ich habe am Wochenende immer viel Zeit mit ihnen verbracht, aber während der Woche war ich viel unterwegs. Was man da oft verpasst, merkt man erst im Nachhinein. Deshalb sag ich zu meinen Mitarbeitern immer: Kümmert euch um eure Kinder! Egal ob Vater oder Mutter. Es gibt nicht nur die Firma, sondern auch ein privates Umfeld. Darauf muss man rechtzeitig schauen, denn sonst steht man am Ende des Berufslebens vor dem Nichts.