Ohne Orientierungssinn und ohne dem starken Glauben, dass in so kurzer Zeit etwas so Großes entstehen kann, ist man hier erst einmal verloren. Und wenn man Stefan Frauscher im gigantischen Gebäude dann doch gefunden hat, bleibt da immer noch ein kleiner Zweifel: Ist er es wirklich? Müsste da nicht ein hochnäsiger Mann vor einem stehen? Gründe dazu hätte er doch etliche. Einerseits haben Frauscher Boote einen großen Namen, nämlich einen, der für Prestige steht. Andererseits ist er gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Cousine Herr über dieses Unternehmen, wo 37 Mitarbeiter wie am Schnürchen arbeiten – als wären sie Figuren eines Animationsfilms, der zeigen will, wie einzelne Arbeitsschritte perfekt ablaufen. Stattdessen schüttelt uns ein gut gelaunter, bodenständiger, leger gekleideter Mann überaus freundlich die Hand – in einem Büro, das sich kaum von jenen seiner Mitarbeiter unterscheidet. Stolz (aber keineswegs eingebildet) führt er uns durch das neue Werftgebäude, das nach frischem Holz riecht. Hier reihen sich die Boote aneinander, manche fast fertig, manche noch im Anfangsstadium. Und keines gleicht dem anderen. Was wohl daran liegt, dass Frauscher fast ausschließlich Boote auf Auftrag baut. Jeder Kunde kann seine persönlichen Wünsche einbringen – von der Farbe des Bootes bis hin zur Polsterung, dem Kühlschrank und jeglichen Sondervorstellungen. „Es dauert zwischen sechs Wochen und zwei Monaten bis ein Boot fertig ist. Der Kunde bekommt in dieser Zeit jede Woche ein Foto, wie sein Boot gerade ausschaut. Er kann uns aber natürlich auch jederzeit besuchen – bei uns fängt das After-Sales-Service an, sobald der Auftrag erteilt wurde“, erzählt Stefan Frauscher und bleibt vor einem beeindruckenden schwarzen Motorboot stehen. Eine Frauscher 1017 GT. Jenes Boot, das zuletzt verkauft wurde. Schon bald soll es seinem neuen Besitzer am Gardasee Fahrvergnügen bereiten. Noch steht es aber hier in Steyrermühl. Und bietet sich perfekt an für unser Interview.
Eine Standorterweiterung in dieser Größe, das sieht nach gutem Grund für Euphorie aus. Gleichzeitig aber natürlich auch nach sehr viel Mut. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
FrauscherWir haben einerseits einen großen Elektrobootbereich, der sich ausschließlich auf die Seen richtet. Aber wir haben auch immer mehr Boote im Programm, die am Meer eingesetzt werden – die sind zwangsläufig größer und brauchen natürlich auch in der Produktion mehr Platz. Außerdem wollen wir mehr Boote bauen. Früher waren die Verwaltung und der Vertrieb am See und die Produktion ein paar Kilometer davon entfernt. Gemeinsam mit Porsche Consulting haben wir ein Konzept erarbeitet, um eine der modernsten Werften Europas in unserem Sektor auf die Beine zu stellen. Da war die Zusammenlegung von Vertrieb, Verwaltung und Produktion zwangsläufig – weil es immense Fortschritte im Ablauf bringt.
Sie wollen mehr Boote bauen. Ist denn die Nachfrage nach Booten gestiegen?
FrauscherDie Bootsbranche befindet sich in einer der größten Krisen. Das liegt einerseits an der Wirtschaftskrise, andererseits ist es eine hausgemachte Krise der Bootsindustrie, weil Überkapazitäten entstanden sind. Wir arbeiten aber ganz bewusst in einer Nische. Wir bieten spezielle Boote an und merken, dass sich unser Markt erweitert, indem wir neue Länder erschließen und neue Produkte auf den Markt bringen.
Und durch die Dreiteilung Segel-, Elektro- und Motorboote sind wir auch sehr flexibel aufgestellt. Und nun entwickeln wir uns also gegen den Trend. Was nicht heißt, dass der Umsatz bei uns explodiert, aber wir haben kleine Steigerungen, und das ist viel besser als alles andere. Selbst große Werften reden von Umsatzrückgängen von minus 70 Prozent im Vergleich zu 2008. Das bekommen wir in keiner Weise zu spüren.
Welcher der drei Bereiche – Elektro-, Motor- oder Segelboote – ist am vielversprechendsten für die Zukunft?
FrauscherDas ist ganz schwer einzuschätzen. Es gibt zwei Bereiche, die für uns enormes Potential haben. Das ist einerseits der Elektrobootsbereich, weil wir hier Marktführer sind und seit 1969 Elektroboote bauen. Auf der anderen Seite ist das Meer ein riesengroßer Markt – wir können von Amerika bis China Motorboote verkaufen. Der Bereich Segelboote ist im Moment leicht rückläufig.
Wird das Elektroboot je die Nachteile im Vergleich zum Motorboot aufholen?
FrauscherUnseres Erachtens nicht in absehbarer Zeit. Weil die benötigte Energiemenge bei Elektrobooten extrem hoch ist. Das mit Batterien in einem vernünftigen Kostensegment unterzubringen, ist extrem schwierig. Aber das Elektroboot hat auch Vorteile gegenüber dem Motorboot. Wenn ich auf einem kleinen See fahre, bin ich froh, wenn ich lautlos fahren kann. Außerdem brauche ich nicht tanken, hab keinen Gestank im Boot und es ist ja auch eine Art Fortbewegung, die sehr viel Reiz bietet. Wir sagen immer, es gibt nicht das optimale Boot generell, sondern für jedes Revier das passende Boot. Deshalb kann man die verschiedenen Bereiche ruhig nebeneinander laufen lassen.
Wie haben Sie es geschafft, den Weltmarkt zu erobern?
FrauscherWir arbeiten mit vielen Händlern und Partnern zusammen und wir haben eine eigene Firma auf Mallorca. Das ist einerseits ein Testzentrum für uns, gleichzeitig bedienen wir von dort aus den spanischen Markt. Ansonsten haben wir Vertriebspartner in sehr vielen Ländern. Wobei wir circa 70 Prozent der Motorboote sicher immer noch in Mittel- und Südeuropa verkaufen, aber immer wieder auch in Saudi Arabien, Australien und Amerika. Wichtig ist für uns vor allem, dass wir mehr und mehr Kraft in Frankreich und Italien bekommen. Und glauben Sie mir, es war ein sehr langer, harter Weg, um in Italien als Motorbootmarke anerkannt zu werden. Als wir vor gut zehn Jahren angefangen haben, international die Boote zu verkaufen, da wurden unsere italienischen Händler damit konfrontiert, dass man in Österreich Speck kauft, aber keine Boote. Das hat sich völlig gedreht. In der Zwischenzeit sind wir dort im Segment designorientierte Luxusmotorboote bis zehn Meter Marktführer.
Wie ist das möglich?
FrauscherWir sind ein bisschen dynamischer als die anderen. Vor allem beim Design haben wir eine gute Linie gefunden, indem wir sehr moderne Aspekte auch mit Retroelementen verarbeiten. Das Boot hat einen klassischen Stil, aber man sieht trotzdem am ersten Blick, dass es sich um ein modernes, außergewöhnliches Boot handelt.
Wer für so hohe Qualität steht, muss auch sehr hohe Erwartungen erfüllen. Wie gelingt das?
FrauscherDurch die leicht geänderten Fertigungsmethoden, die wir anwenden, können wir ununterbrochen besser werden. Wir haben eine sehr gute Qualitätskontrolle und setzen auf ein hervorragendes After-Sales-Service. Die Marke selbst entsteht aber natürlich nicht nur über die Qualität des Produktes. Die beste Qualität ist fast schon Grundvoraussetzung. Es geht auch darum, ein gewisses Image zu transportieren.
Dieses transportieren Sie zu dritt – Ihre Cousine, Ihr Bruder und Sie?
FrauscherEigentlich sind wir zu viert. Die Andrea kümmert sich hauptsächlich um den Hafen, mein Bruder ist speziell für die Technik und den Bootsbau zuständig und meine Bereiche sind Marketing und Vertrieb. Wir haben uns aber auch noch einen operativen Geschäftsführer gesucht, der vor allem für das Zahlenwerk zuständig ist und der auch die Budgethoheit hat. Das heißt: Wenn früher mein Bruder mit einer wahnsinnigen Idee gekommen ist, hab ich’s ihm immer erlaubt und umgekehrt war es genauso. Zum Schluss sind uns ein bisschen die Kosten davongelaufen. Über diesen Geschäftsführer – Andreas Ahamer – haben wir da eine noch bessere Struktur im Betrieb.
Andreas Ahamer ist aber nicht aus der Familie und nicht an der Firma beteiligt?
FrauscherNein, aber er ist im laufenden Geschäft praktisch unser Vorgesetzter.
Fühlt sich das nicht irgendwie seltsam für Sie als Eigentümer an?
FrauscherGanz am Anfang war das natürlich eine komische Situation. Im Moment sind wir aber alle sehr froh darüber. Diese besseren Strukturen bringen wesentlich weniger Stress. Wobei das auch an seiner Person liegt, weil er sehr diplomatisch ist.
Glauben Sie, dass ein Außenstehender vielleicht allgemein einem Familienunternehmen gut tut?
FrauscherIch bin fest davon überzeugt, dass es zumindest in unserer Situation sehr positiv ist. Es ist gut, wenn man zeigt, dass ein Unternehmen nicht nur geführt werden kann, wenn gerade wieder einer aus der Familie nachrückt. Es geht schließlich darum, dass die besten Köpfe am Werk sind. Wobei sich natürlich jeder freut, wenn jemand von der Familie nachkommt, aber es ist kein Muss. Und es muss auch nicht jeder sofort beim Einsteigen in die Firma eine Führungsposition einnehmen. Wenn er’s kann, ja. Wenn nicht, dann macht’s ein anderer.
Gibt’s denn schon Nachkommen, die da in Frage kämen?
FrauscherDie Kinder von meinem Bruder sind jetzt gute 20 Jahre alt und studieren – könnte also durchaus sein. Aber das hat noch Zeit._
gedanken.
STEFAN FRAUSCHER
Was die Marke Frauscher am Wasser ist_ ist die Marke Porsche an Land. Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten mit Porsche, deshalb haben wir auch diverse kleinere Kooperationen laufen. Auch Aston Martin passt gut zu uns. Aber wir haben natürlich auch Kunden, die auf ganz andere Automarken setzen.
An Land fahre ich_ einen VW Phaeton.
Firmenstandort Salzkammergut_ Ich glaube, es gibt kaum einen Platz, wo man so tüchtige Mitarbeiter findet wie in Oberösterreich: gut ausgebildet, fleißig, offen für andere Länder und Sprachen. Außerdem können wir bei Gästen mit unserer schönen Natur immer punkten. Das schafft Atmosphäre und die ist gerade in unserem Bereich sehr wichtig.
Regionalität_ Wir setzen hauptsächlich auf regionale Zulieferer. Egal ob Holz, Polsterung, Metallteile oder selbst die Rümpfe kommen aus Tirol. Wenn es irgendwie geht, dann wählen wir immer Zulieferer, die nicht weiter als eine Tagesreise mit dem Auto entfernt sind. Denn damit haben wir die Qualität unter Kontrolle und eine regionale Wertschöpfung.
Warum die Marke Frauscher Boote so stark ist_ weil wir eine gesamte Mannschaft haben, die für den Bootsbau und das Bootsfahren lebt. Bei jedem sitzen die Emotionen so tief, dass er dermaßen gefesselt ist, wenn ein Boot zuerst entwickelt, dann gebaut wird und schließlich am Wasser fährt.
Luxus_ hat für mich nicht unmittelbar etwas mit Geld zu tun. Sondern eigentlich eher mit Dingen, die man mag, weil es sie sehr selten gibt. Das kann die Zeit mit der Familie sein oder eine schöne Bootsfahrt. Wir sehen auch bei unseren Kunden, dass dieses „Hauptsache teuer“ wie es vielleicht noch vor ein paar Jahren war – nicht mehr so wichtig ist.